Momentaufnahme: Lull und Lall
1. November 2009 von Donna
Wir sind zu gut erzogen, sonst hätten wir schon längst mal etwas gesagt. Etwa: Du, Rita, hast du eine Fahne? Ich habe das die letzten Tage schon bemerkt. Oder: Rita, du sprichst so undeutlich, hast du wieder getrunken? Oder: Rita, immer wenn du auf der Damentoilette warst, dann riecht das da nach Schnappes. Oder: Komm, Rita, erzähl uns keine Geschichten, nüchterne Menschen fallen nicht so oft hin und hauen sich überall den Schädel ein.
Nein, wir sitzen alle da, wissen Bescheid, auch die Schulleitung, die Referendare, die Oberstufenschüler, alle sehen, dass Rita ein gewaltiges Alkoholproblem hat.
Rita leugnet das, spricht von dem einen Gläschen Wein, das sie gestern zum Abendessen getrunken hat, und wird schlichtweg böse und ausfallend, wenn ihr von oberster Stelle vorgeschlagen wird, eine Therapie zu machen. Man spricht ganz bewusst das Wort „Entzug“ nicht aus. „Nein, nein“, sagt sie, „ich bin doch keine Alkoholikerin, und wenn das in meiner Akte stehen würde…“