Beitrag von FRANCIS zum Schreibprojekt im Januar 2010
16. Januar 2010 von Donna
Ein richtiges Januargefühl wollte sich nicht einstellen – seltsam…es hatte immer, wirklich immer funktioniert…es hatte schon einen festen Platz in ihrem Leben eingenommen, dieses Gefühl.
Warum nur fühlte sie nichts? Sie horchte tiefer in sich hinein, eine Methode, die sie schon als Kind, damals jedoch unbewusst, angewandt hatte. Immer dann, wenn neue Entscheidungen zu treffen waren, wenn sich irgendetwas in ihrem Leben ändern sollte, oder sie es sich auch nur wünschte, wurde sie ganz still und horchte…
Dabei schloss sie die Augen, es musste Stille herrschen, sie brauchte Konzentration, um die Welt um sich herum zu vergessen und ganz tief in ihre Seele zu blicken und ihre verborgenen Wünschen erkunden zu können. Diese Reisen waren äußerst spannend, denn die wichtigste Bedingung war: Ehrlichkeit. Es nutze nichts, sich etwas vorzumachen. Wenn man dies berücksichtigte, kamen ganz erstaunliche Dinge ans Tageslicht.
Nach einer solchen „Reise ins Ich“ trennte sie sich von Tom, ihrem langjährigen Gefährten, den sie, noch sehr jung, kennen gelernt hatte, und der es in einer Dekade geschafft hatte, dass ihre Betäubung immer größer wurde. In dieser Zeit flüchtete sie sich immer öfter und länger zu ihren Traumreisen, sie wollte gar nicht mehr auftauchen, es vergingen Stunden um Stunden, in denen sie in diesem Zustand völliger Bewegungsunfähigkeit verharrte, paralysiert von ihren unerfüllten Wünschen. Nach der Trennung wurde es erst einmal nicht besser – bis sie diesem neuen, diesem besonderen Menschen, begegnete, der sie aus ihrer Paralyse erlöste. Sie fühlte es wie eine Erlösung, endlich LEBEN, das Leben spüren zu können in all seinen Facetten war ein äußerst anregendes, kribbelnden, neues, aufregendes Gefühl.
Sie lächelte still in sich hinein und merkte, dass es ihr wieder passiert war, sie war wohl doch eine Träumerin, obwohl sie durchaus genau wusste, was sie vom Leben wollte und ihre Forderungen an sich selbst nicht immer von Pappe waren.
Doch dieses Gefühl, dieses Januargefühl, nun war sie wieder an ihrem Ausgangspunkt angelangt: Warum wollte es sich nicht einstellen? Sie kannte es doch so gut, dachte an die Momente zurück, in denen sie dieses Gefühl ganz stark gespürt hatte, immer und jedes Jahr zum Beginn eines neuen Jahres erfasste es sie, einmal ganz unvermittelt an einem kalten Januarmorgen am Bahnsteig. Es war zugig und ungemütlich, sie wartete auf die Bahn und plötzlich war es da. So stark, dass sie gedanklich ins Taumeln geriet.
Aufbruch! Das war es! Veränderung! Bewegung! Ein pulsierendes Gefühl, das ihr sagte: Dieses Jahr wirst du es allen zeigen – wirst du es DIR zeigen. Doch nun spürte sie nichts – spürte sie nichts?
War sie am Ende doch angekommen?? – – –
Nein, das hatte es noch nie gegeben. Zufriedenheit??? Sie sollte dieses neue Jahr einfach so beginnen? Ohne Kampfbereitschaft nach innen und außen zu signalisieren? Das entsprach nun ganz und gar nicht ihrem Wesen. Doch es war genau das. Verblüffung und Ratlosigkeit machte sich nun breit. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass das Leben nicht nur aus Kampf bestehen musste. Konnte es auch spannend werden, wenn man mit sich und seinem Weg zufrieden war? Irgendwie hatte sie plötzlich das Gefühl, diese Frage mit einem „Ja“ beantworten zu können. Das wohlbekannte Kribbeln stellte sich ein und sie fühlte, wie sich ein Glücksgefühl in ihr ausbreitete – das war es also gewesen, was sie finden sollte… und nun kam auch das lang ersehnte Gefühl und blickte ganz verschlafen in eine völlig neue Welt.
Große Ruhe überkam sie, gelassen nahm sie ihre Lektüre wieder zur Hand, die sie zuvor zur Seite gelegt hatte.
Es lagen noch 400 Seiten vor ihr – kein Problem, sie hatte ja alle Zeit der Welt.