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Frei

Nichts war zu hören. Keine Badezimmergeräusche von oben, keine Schritte. Der Frühstückstisch war gedeckt wie jeden Morgen, die Brötchen aufgebacken, der Kaffee fertig. Es war schon nach acht Uhr und die Stille im Haus beunruhigend. Sie war sich nicht sicher, ob sie entgegen ihrer Abmachung doch einmal nach ihm schauen sollte. Unschlüssig goss sie sich Kaffee ein und legte auf jeden Teller die obligatorische Vitaminkapsel.

Wieder lauschte sie mit einem ernstzunehmenden unguten Gefühl. Leise schlich sie die Treppe hoch, horchte angestrengt, bis sie sich ein Herz fasste und seine Schlafzimmertür öffnete. Er lag da auf der Seite und schien noch zu schlafen. Als er auf ihre immer lauter werdende Ansprache und ihre Berührungen nicht reagierte, wusste sie, was sie zu tun hatte.

Der Notarzt konnte nichts mehr ausrichten, der Tod war schon vor Stunden eingetreten.

Nachdem sie mit dem Bestattungsunternehmer einen Termin für die frühe Mittagszeit vereinbart hatte, entfernte sie das zweite Gedeck vom Tisch, kochte frischen Kaffee und rauchte drei Zigaretten hintereinander weg.

“Es ist vorbei”, sagte sie laut zu sich selbst.

Ja, vorbei waren die zwölf Jahre des Schweigens. Es hatte keinen konkreten Anlass gegeben. Immer mehr hatten sie sich in den Jahren bis zu seiner frühzeitigen Pensionierung entfremdet. Danach hatte sich fast alles wortlos ergeben. Das Haus war groß genug. Er wohnte oben, sie unten. Schnell spielten sich Tages- und Wochenabläufe ein, ohne dass ein Wort gewechselt wurde. Die Mahlzeiten wurden von ihr zubereitet und in ihrer Küche schweigend eingenommen. Donnerstags frühstückte er nur und kam abends sehr spät nach Hause. Sie putze in seiner Abwesenheit seine Wohnung. Die Aufgaben waren verteilt. Er erledigte die Gartenarbeit und anfallende Reparaturen im Haus, sie kümmerte sich um die Einkäufe, das Kochen, die Wäsche.

Wichtige Dinge teilten sie sich mit, indem sie sie auf selbstklebende Notizzettel schrieben. Zwölf Jahre lang.

Sie rief ihre beiden Söhne erst an, nachdem der Termin für die Beerdigung feststand und alle Details bezüglich des Rahmens und des Ablaufs besprochen worden waren.

Sie schaltete eine Todesanzeige in der Tageszeitung.

Sie schrieb in ihrer schönen und geschwungenen Schrift die Adressen auf die Briefumschläge für die Todesanzeigen.

Sie organisierte das Kaffetrinken für die Trauergäste.

Sie nahm Telefonanrufe entgegen von Menschen, die ihr Beileid aussprachen.

Sie bestieg das Taxi am Vorabend der Beisetzung. Es brachte sie zu einem Hotel in Flughafennähe.

Sie saß am nächsten Morgen zeitig im Flieger und fühlte sich unendlich frei.

Daily Musings: Antwort

“Ja” sagte ich dir gestern Abend –
“Nein” wird die Antwort heute sein.
Das Farbenspiel beim Kerzenflackern
Ist anders als beim Sonnenschein.

Elizabeth Barrett-Browning

Klappentext: Der erfolglose Schriftsteller Lukas Domcik entwirft einen genialen Plan, um das große Geld zu machen: Als er im Nachlaß einer Tante deren schwülstige Lebenserinnerungen als bekennende Nationalsozialistin und später reuige Katholikin findet, schiebt er die überaus attraktive und von ihm heiß begehrte Rachel als Autorin vor, die die Geschichte ihrer vorgeblichen Oma erzählt. Die Medien sind begeistert, und die Doku-Fiction wird zum Bestseller. Doch schon bald verliert Domcik die Übersicht – und die Fäden seiner attraktiven Marionette aus der Hand…

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Die Lektüre dieses Buches hat mir sehr gefallen. Da, wo es ein bisschen ausschweifend ist – der Autor von Hölzchen auf Stöckchen kommt – ist es sprachlich immer noch ein Genuss. Leider habe ich mich mit der Hauptfigur Lukas Domcik identifiziert, dieser wirklich armen Socke. Seine Rechnung geht ganz und gar nicht auf, obwohl er den Literaturbetrieb und die Literaturmache genauestens kennt.

Bestseller     Klaus Modick     Piper-Verlag     ISBN: 973-3- 492-25218-8     8,95 Euro

Eine Persönlichkeit zu besitzen, trägt zu unserer Schönheit bei. Persönlichkeit stärkt eine Frau, wenn ihre Jugend schwindet.

Jaqueline Bisset

Daily Musings: Maske

Der unnötige Kampf um unsere äußere Erscheinung, um die Maske – um all die abstoßenden Versuche, perfekt zu sein – , raubt uns unsere Kraft.

Robin Worthington

Momentaufnahme

Denkverbot erteilst du dir, sonst könntest du es gar nicht ertragen.

Deine Frau – wie lange wird sie noch leben? Du willst es nicht wissen, hast nach der niederschmetternden Diagnose deine Sachen gepackt. „Das ist eine Nummer zu groß für mich“, hast du ihr gesagt und sie allein gelassen.

Nein, du willst mit all dem nichts zu tun haben, keine Infos von Freunden, keine Anrufe – und Denkverbot!

Auf jemanden zu warten und zu hoffen, dass er mein Leben reicher, erfüllter, befriedigender macht, lässt mich mir selbst ganz fremd werden.

Tierney Andrus

Habe Geduld mit allem, was du an ungelösten Fragen in deinem Herzen trägst, und liebe die Fragen um ihrer selbst willen, wie verschlossene Räume und wie Bücher, die in einer fremden Sprache geschrieben sind.

Rainer Maria Rilke

Momentaufnahme

Da schiebt sie den Kinderwagen, in der linken Hand das Handy am Ohr, in der rechten Hand eine Zigarette. Wenn sie einen Zug von der Zigarette nimmt, streckt sie ihren Bauch ein wenig vor, um den Kinderwagen weiter dirigieren zu können. Das Kleinkind, das so eben noch brav nebenher lief, hat auf einmal eine eigene Idee zur Gestaltung des Einkaufsbummels. Blitzschnell und zielsicher steuert es auf die stark befahrene Straße zu.

Gerade kann ich es noch an der Kapuze erwischen und festhalten. Erstaunt schaut das kleine Mädchen mich an, sichtlich verwundert über den jähen Abbruch ihrer geplanten Unternehmung.

„Sie, fassen Sie mein Kind nicht an!“, schreit die dazugehörige Mutter, die das Handy immer noch am Ohr hat und die Kippe zwischen den Lippen.

Es ist mein fester Glaube, dass es die Liebe ist, die die Erde erhält, denn Leben ist nur dort, wo Liebe ist. Leben ohne Liebe ist der Tod. Liebe ist die Kehrseite jener Münze, deren Vorderseite die Wahrheit ist.
Der Hass sucht immerfort zu töten, aber die Liebe stirbt nie. Das ist der größte Widerspruch zwischen den beiden. Was man durch Liebe erlangt, das behält man für alle Zeit. Was man durch Hass erlangt, das wird schnell eine Belastung, denn es macht den Hass größer. Es ist die Pflicht der Menschen, den Hass abzubauen und die Liebe wachsen zu lassen.

Mahatma Ghandi

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